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Von Abfall, Siechtum und Verbrechern Nora Fata, 29. Oktober 2015

Was als meidenswertes Gebiet vor den Stadtgrenzen Zürichs begann, wandelte sich in den letzten 2 Jahrhunderten zum lebhaftesten Teil der Innenstadt.

Die Geschichte des Aussersihl-Quartiers reicht bis ins Mittelalter zurück, wo eine ehemalige Strasse aus der römischen Antike über die heutige Militär- und Hohlstrasse eine Verbindung nach Baden mit seinen heissen Quellen herstellte. Mit dem Bau des Hardturms, der Teil des Verteidigungssystems der Stadt war, und  der Jakobskapellegewann die Aussersihl ein Zentrum, um das sich schnell Bewohner ansiedelten.

Auch das Siechenhaus lag in der Gegend. Hier wurden die Aussätzigen Zürichs fern von der Stadt isoliert. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde es jedoch in ein Altersheim umgewandelt, das letztlich 1904 mit der St. Jakobskapelle abgebrochen wurde. Doch der unattraktive Charme blieb bestehen: Im 18. Jahrhundert entsorgte die Obrigkeit an der Sihl ihren Abfall und ihre Verbrecher, die dort gehängt wurden.

Einen Umschwung brachte die Bahnlinie der «Spanisch-Brötlibahn» (1847), die während der Industriealisierung die Aussersihl teilte, was auch die heutigen Grenzen der Kreise 4 und 5 darstellt. Die Bewohnerzahlen schossen bald in die Höhe. Wo 1787 auf dem Areal von gut 5 Quadratmetern nicht mehr als 558 Menschen in 136 Haushaltungen lebten, wuchs die Bevölkerung bis 1850 auf das mehr als Dreifache. Kurz darauf, in den 1860er Jahren, setzte ein explosives Wachstum durch die enorme Bautätigkeit ein und 1882 zählte das eigenständige Aussersihl ca. 30000 Einwohner, die Stadt Zürich lediglich ca. 28000 Einwohner.

Das wollte sich die bedeutende Stadt Zürich nicht gefallen lassen und gemeindete das Quartier 1893 ein und legte den Grundstein für die Bedeutung, die der Kreis heute für die Stadt hat.

Sämtliche Bauten aus vorindustrieller Zeit verschwanden und wurden dem Erdboden gleichgemacht. Eine Chronik um die Jahrhundertwende beschreibt Aussersihl folgendermassen:

«Aussersihl ist total neu, die ehemalige kleine Ansiedlung um den St. Jakob herum sowie die alten Landgüter und Bauernhöfe im Hard sind verschwunden. Enstanden sind moderne städtische Quartiere. Unter den Bewohnern besteht wenig innerer Zusammenhalt, sie sind von überall her zusammengeströmt. Alte angestammte Eigenart würde man hier vergebens suchen. Die alten Aussersihler sind fast alle ausgestorben oder ausgewandert, die jetzige Bevölkerung weiss nichts mehr von früheren Verhältnissen.»

Die immer gleichen Geschichten, die nur von neuen Menschen erlebt werden – oder liegt der Gedanke an die Europaallee fern?