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Das Aussersihl ab dem 19. Jahrhundert Nora Fata, 30. Oktober 2015

Eine turbulente Vergangenheit, auf die das Aussersihl zurückblicken kann, die durch die Industrialisierung eine neue Qualität gewonnen hat. Kreis 4 und 5 bleiben auch im ausgehenden 19. Jahrhundert der Ort, an dem die Entwicklung Zürich katalysiert wird.

Und schon damals war die Platzfrage zentral: Neue Baugesetze wurden für eine geschlossene Bauweise genutzt, um eine höhere Ausnützung der Parzellen zu erreichen. So entstand anstelle der bisherigen Siedlungsstruktur mit vorstädtischen Einzelhäusern und Gewerbebauten eine kompakte, geschlossene Überbauung entlang der Strassen. Blockränder mit Kleingewerbebetrieben in den Innenhöfen prägten das Quartier.

Der führende Baustil um die Wende zum 20. Jahrhundert war der Jugendstil, der jedoch nicht reichhaltig, geschweige denn opulent floral oder geometrisch ausfiel. Schlichte, einfache Mietshäuser in Blockrandbauten, die auf Archivfotos eher dunkle Fassaden zu haben scheinen. Wohl nicht zuletzt durch den Russ des Güterbahnhofs.

Die Umgebung des verrussten Bahnhofs galt als wenig attraktiv, dafür als preisgünstig und so lebte hier die ärmste Bevölkerung zusammen mit den Gastarbeitern.

Durch die teils erbärmlichen Verhältnisse kam es unter den italienischen Arbeiter zu grossen Krawallen (zum Beispiel dem Italienerkrawall 1896). Die Unzufriedenheit der Arbeiter verlief entlang der Grenze der Nationalitäten, da die Gastarbeiter meist niedrigere Bezahlung akzeptierten und so die Lohnstruktur ins Wanken brachten.

Nicht nur materiell war die Arbeitervorstadt jenseits der Sihl eine andere Welt, ebenso fremd war sie den bürgerlichen Normen und Wertvorstellungen des zwinglianischen Zürichs.

Durch diese Separierung wurde auf der anderen Seite der Zusammenhalt jenseits der Sihl gestärkt. Diese Solidarisierung brachte eine Arbeiterschaft hervor, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts dort als Proletariat konstituierte und im Sozialismus eine Gegenwelt zur bürgerlichen Gesellschaft entwarf.

Wo sich heute das Ausgehmekka Langstrasse befindet, wallte schon füher pubertäres Testosteron, wie eine Chronik aus der Jahrhundertwende das «wilde Treiben der Nachtbuben» beschreibt:

Bekannt waren die Nachtbuben, welche allerlei Streiche verübten. Räbeliechtlitradition gab es in Wiedikon und Aussersihl. Anfang 19. Jhdt. kämpften in und bei der Sihlbrücke am «Brügelmändig» Städter und Sihlgemeindler-Knaben, man bewarf sich mit Steinen, an Fasnacht gabs Schlachten zwischen Wiediker und Sihlgemeindler Böggen, man schoss in die Luft, warf Steine, prügelte, keilte und würgte. Im Winter schnitten Knaben mit Äxten und Sägen grosse Eisplatten aus der Sihl und fuhren darauf die Sihl hinunter, es kam auch zu tödlichen Unfällen.

Auf dem Nährboden des «Sündenpfuhls» – ein Beiname, der der Gegend seit jeher anhaftet – florierte zudem ab den 1970ern die Prostitution. Mitte der 80er folgte die Drogenszene, die bald Strassen und Innenhöfe beherrschte und zahlreiche Probleme mit sich brachte.

Dank eigens entwickelten Hilfsprogrammen der Stadt hat sich vieles verändert und das Quartier boomt heute in seiner Vielfalt.

Unsere Vision ist es mit, mit dem kleinen Dreieck in der Zwingli/Tellstrasse einen eigenen, kleinen Mikrokosmos aufzubauen, der sich in der historischen Entwicklung des Quartiers im Stadtkörper weiterspinnt.